DrEd & Co. – Aufregung um Online-Arztpraxis

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DrEd - Online-Arztpraxis

Online-Arztpraxen, die ohne persönlichen Patienten-Kontakt rezeptpflichtige Medikamente verschreiben, sind derzeit in aller Munde und sorgen in Österreich bei Vertretern des Gesundheitswesens für große Aufregung. Wir wollten uns die Situation genauer ansehen um Vor- und Nachteile für die Patienten darstellen zu können. Im Interview kommen folgende Experten zu Wort: Dr. Otto Pjeta (Österreichische Ärztekammer), SC Hon. Prof. Dr. Gerhard Aigner (Bundesministerium für Gesundheit), Dr. Gerald Bachinger (NÖ Patientenanwalt) und Mag. Rainer Prinz (Österreichische Apothekerkammer) sowie Dr. Jasper Mordhorst (Ärztlicher Direktor von DrEd).


In Österreich regelt das Ärztegesetz in § 49 Abs 2 wie der Arzt seinen Behandlungsauftrag zu erfüllen hat: „Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben“. Ferndiagnosen, Distanzbehandlung oder auch nur der Distanzberatung sind also in Österreich per Gesetz verboten, dennoch boomen Ärzteportale wie DrEd, denn sie locken mit Anonymität, unbürokratischem Service und oftmals auch mit günstigeren Medikamentenpreisen.

Für heiße Diskussionen in Österreich sorgt seit Kurzem eine Online-Arztpraxis, die ohne persönlichen Patientenkontakt rezeptpflichtige Medikamente verschreibt. Man besucht via Internet einfach eine Online-Sprechstunde, füllt einen Fragebogen aus und erhält mittels Ferndiagnose, ohne dass Arzt und Patient sich jemals gesehen haben, ein Rezept. Die Dienstleistungen sind auf einige wenige medizinische Schwerpunkte begrenzt, bergen sie trotzdem gesundheitliche Gefahren?

Interview mit Experten aus dem österreichischem Gesundheitswesen

Dr. Pjeta: Wenn man denkt, dass man den Vorgang einer Diagnose, und dazu gehören auch Befunde und ein ärztliches Gespräch, durch ein paar Mausklicks ersetzen kann, ist das sicher nicht nur zu einfach gedacht, sondern auch für viele Patientinnen und Patienten gefährlich.

Anmerkung: Sprechstunden werden zu Allgemein-, Innerer und Reisemedizin angeboten, sowie zu Sexual-, Frauen- und Männergesundheit. Paradebeispiel für DrEd stellt das Thema Impotenz dar.

Dr. Pjeta: Impotenz und die erektile Dysfunktion sind Erkrankungen und gleichzeitig Symptome. Die große Gefahr bei solch einer Diagnose ist, dass man hinterher immer eine Reihe von Krankheiten haben kann und diese sollten unbedingt vorher abgeklärt werden, allerdings auch bis dahin, dass man ebenfalls die Nebenwirkungen beachtet, die ja für Herzkranke nicht problemlos sind.

Anmerkung: Selbst die Verschreibung der Antibabypille berge Risiken, denn sie sei kein ungefährliches Medikament und bedürfe der vorherigen Konsultation eines Facharztes.

Dr. Pjeta: Die Pille an sich ist kein ungefährliches Medikament. Man muss bei Verschreibungen unterscheiden, ob es sich dabei um eine Wiederverordnung handelt, wo man bereits die entsprechenden Fragen und Untersuchungen veranlasst hat, beziehungsweise dann unterscheiden, ob es sich um eine Neuverordnung handelt. Als Nicht-Facharzt würde ich unbedingt eine fachärztliche Untersuchung einfordern, weil die bekannten Nebenwirkungen, zum Beispiel thromboembolische Ereignisse wie eine Venenentzündung mit möglichen Komplikationen natürlich etwas Lebensbedrohliches sein können.

Anmerkung: Ohne persönliche Untersuchung und Diagnose könne es also zu erheblichen Fehleinschätzungen kommen, die schwerwiegende gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können, daher warnt auch das Österreichische Gesundheitsministerium vehement vor solchen Vorgehensweisen.

Dr. Aigner: Die rechtliche Situation ist so, dass ein derartiger Onlinedienst in Österreich nicht zulässig wäre. Das ist im ärztlichen Berufsrecht sehr deutlich verankert. Freilich ist es hier so, dass das Angebot des Arztes oder der Ärzte ausserhalb Österreichs, in Großbritannien stattfindet, da die dortige Rechtslage so etwas zulässt und ein dortiger Zugriff im Internet schlicht nicht zu verhindern ist. Soweit ich das sehe haben wir rechtlich gegen dieses Angebot keine Möglichkeit.

Anmerkung: In der Verantwortung des behandelnden Arztes steht es den Patienten vor Verschreibung eines Medikamentes gründlich zu untersuchen, eine Anamnese durchzuführen, eventuelle labortechnische oder bildgebende Verfahren einzusetzen um eine individuelle Therapie erstellen zu können.

Dr. Aigner: Das Wichtigste einer erfolgreichen Behandlung ist die persönliche, unmittelbare, spezifische Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient. Das ist bei einer Behandlung, die im Internet angeboten wird nicht gegeben.

Anmerkung:
Wer trägt denn bei der Inanspruchnahme der Onlinearztpraxis das Risiko, wenn unwissentlich falsche Angaben gemacht werden, Vorerkrankungen nicht bekannt sind und es deshalb zu ernsten Nebenwirkungen oder gesundheitlichem Schaden kommt?

Dr. Bachinger: Die Frage, wer haftet, wenn in irgendeiner Form Missverständnisse auftreten, wird eine der Hauptfragen sein. Es wird für Patienten allerdings sehr schwierig sein die Haftung auf den Arzt abzuwälzen, weil es aus meiner Sicht wahrscheinlich immer wieder Beweisschwierigkeiten geben wird. Es schaut für mich so aus, dass der Patient auf seinem Schaden dann wahrscheinlich alleine sitzen bleibt.

Anmerkung: Der Patientenanwalt kann dem Betroffenen doch zumindest rechtliche Hilfestellung geben, sollte es zu Problemen bei der Fernbehandlung via Internet kommen?

Dr. Bachinger: Wir haben aufgrund der rechtlichen Lage in Österreich keine Möglichkeiten Patienten zu unterstützen, die im Ausland oder auch EU-Ausland Behandlungen in Anspruch nehmen, das heißt wir können nur jenen helfen, die die Österreichischen Einrichtungen in Anspruch nehmen und dort auch eine Behandlung durchführen.

Anmerkung: Abseits der möglichen Gefahr für die Gesundheit durch Ferndiagnose, wird auch der Vorwurf laut, unter dem Vorwand dem Patienten den Zugang zu medizinischen Leistungen zu erleichtern, dem Medikamentenmissbrauch Tor und Türen zu öffnen. Wir haben DrEd persönlich zu den Anschuldigungen befragt.

Dr. Mordhorst: Wir verschreiben kein Heroin auf dieser Webseite. Wir verschreiben Medikamente, die Patienten einnehmen. Gerade bei der Pille machen wir im Moment keine Neuverschreibung, sondern setzen eine Behandlung fort. Sie werden auf unserer Website weder ein Medikament noch ein Angebot einer Behandlung finden, dass missbrauchbar ist. Wir haben Patienten, die selbstbestimmend an ihrer Behandlung Anteil nehmen wollen.

Anmerkung: Unseriöses Handeln will sich das Team rund um DrEd nicht vorwerfen lassen.

Dr. Mordhorst: Die Auswahl, die wir anbieten erfolgt grundsätzlich nach Maßstäben dessen, was wir meinen sicher und verantwortbar im Internet anbieten zu können. Wir wollen nicht die gesamte Bandbreite der Medizin anbieten, wir sind auch keine Hausarztpraxis in dem Sinne. Wir wollen keine Patienten behandeln, die man lieber bei sich in der Praxis hätte. Wir wollen auf gar keinen Fall Medikamente anbieten, die missbrauchbar sind. Sicherheit ist eine unserer Kernprämissen.

Anmerkung: Doch nicht nur Patientenanwalt und Ärztekammer haben sich kritisch zum Thema Online-Arztpraxen geäußert, auch die Apothekerkammer sieht den Fall der Medikation durch Mausklick problematisch.

Dr. Prinz: Ich denke der Patient spielt da schon in einem gewissen Ausmaß mit seiner Gesundheit. Mit Fragebögen zu testen, ob ich ein bestimmtes Arzneimittel brauche oder nicht brauche, ohne den persönlichen Kontakt ist aus meiner Sicht schon etwas grenzwertig.

Anmerkung: Jede Apotheke hat sich vor Aushändigung eines Medikamentes zu versichern, dass das Rezept korrekt ausgestellt wurde. Wie ist es denn um die Gültigkeit der Verschreibungen bei DrED gestellt?

Dr. Prinz: Rezepte von ausländischen Ärzten sind in österreichischen Apotheken nichts Neues, so etwas hat es immer gegeben und diese Rezepte werden, wenn sie die Kriterien des Rezeptpflichtgesetzes erfüllen, was der Apotheker formal zu prüfen hat, grundsätzlich in der Apotheke eingelöst.

Anmerkung: Angeblich haben schon hunderte von Internetusern eine Sprechstunde von DrEd besucht. Hat Österreich also wirklich bedarf an Online-Arztpraxen?

Dr. Bachinger: Es gibt in Österreich aus meiner Sicht einen sehr großen Bedarf an Angeboten, die in Richtung neue elektronische Medien gehen. Der Patient will nicht mehr auf eine einzige traditionelle Informationsquelle des Hausarztes angewiesen sein. Ich denke, dass das, was sich momentan abspielt hoffentlich ein Weckruf für die Gesundheitspolitik und für die Krankenkassen ist, dass sie die Bedürfnisse der Patienten nach niedrigschwelliger, sofortiger Information und auch Information aus anderen Informationsquellen viel besser abdecken, als bisher.

Anmerkung: Der Besuch von Online-Arztpraxen könnte auch als Kritik am herrschenden Gesundheitssystem verstanden werden. Was sollen verunsicherte Österreicher tun, die mit dem gängigen medizinischem System unzufrieden sind?

Dr. Pjeta: Ich würde den Österreichern und Österreicherinnen raten, sich im eigenen Gesundheitsbereich behandeln zu lassen, gibt es Unzufriedenheit, das entsprechend zu artikulieren und im Übrigen glücklich zu sein, dass wir ein derartiges System mit dieser Qualität für jeden Verfügbar machen können.

Anmerkung: Bleibt nur zu hoffen, dass ernstzunehmende gesundheitliche Folgen durch die Medikamentenverschreibung via Internet ausbleiben.

Quelle: www.vielgesundheit.at

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