Die Apotheke als Goldesel? Die besten Zeiten sind vorbei

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Apotheke in Probleme

Für die österreichischen Apotheken werden die Zeiten immer härter: Die Spannen gehen zurück und aus den EU Ländern drängen Onlineportale in den österreichischen Markt. Das in Österreich nach wie vor gültige Versandhandelsverbot von rezeptfreien Medikamenten hätte von EU wegen eigentlich schon heuer, im Jahr 2014, fallen müssen. Aufgrund der langwierigen Zertifizierungsverfahren dauert es aber noch bis 2015. Rezeptpflichtige Medikamente können aber auch dann nur persönlich aus der Apotheke bezogen werden.


Die Apotheke als Goldesel – Artikelübersicht:

Die goldenen Zeiten der Apotheke sind vorbei

Rund 1340 Apotheken gibt es in Österreich, die wenigsten im Burgenland mit 38, und die meisten in Wien mit 316, Tendenz nach wie vor leicht steigend. Doch das Geschäft wird nicht leichter. Zwar gibt es nun saisonbedingt einen großen Andrang – ist der Herbst doch die Jahreszeit der Erkältungen – doch übers Jahr betrachtet ist die Konkurrenz in den letzten Jahren immer stärker geworden. Das Geschäft bewegt sich in einem Spannungsfeld von einerseits schrumpfenden Handelsspannen und andererseits steigender Konkurrenz aus EU Ländern, aus denen schon bisher rezeptfreie Medikamente nach Österreich exportiert werden durften.

In Deutschland sind Versandapotheken bereits seit 2004 erlaubt, ihr Marktanteil am gesamten Medikamentenmarkt wird auf rund 3 Prozent geschätzt. Die Österreicher werden aktuell – sehr zum Missfallen der angestammten Apotheken – von vier Online-Apotheken aus dem EU-Ausland beliefert. Laut einem Vergleich der Plattform medikamentenpreise.at aus dem Frühjahr 2014 sind rezeptfreie Medikamente im Versand um bis zu 60% – im Schnitt um 25% – billiger.

Daneben gibt es natürlich noch das große Problem der gefälschten Arzneimittel, wobei man diesfalls allerdings von illegaler Konkurrenz sprechen muss. Laut Christian Müller-Uri, Präsident des österreichischen Apothekerverbandes, werden aber eben auch die Spannen bei Kassenmedikamenten immer kleiner – aktuell liegen sie bei knapp 17%. Verschärfend kommt hinzu, dass durch den vermehrten Einsatz von Generika die Preise insgesamt sinken. Manche Apotheker beklagen, dass sie seit 2008 20% Nettoeinbußen zu beklagen haben: Zehn bis 15% je Verkaufsfall plus Inflation. Doch was tun, wenn die Rahmenbedingungen schwieriger und die Konkurrenz größer werden?

Kundennähe als Zauberformel

Apotheker geniessen nach der Feuerwehr den zweitgrößten Vertrauensbonus unter allen Berufsgruppen. Ziel ist, über diesen Vertrauensvorschuss verstärkte Kunden- bindung zu erzeugen, und sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Onlineanbietern zu erwerben. So wurde 2009 das Franchise System Team Santé gegründet: Team Santé umfasst aktuell zehn Apotheken in Wien, Niederösterreich, Kärnten und der Steiermark. Die Mitglieder werden beim Marketing und der Betriebsführung unterstützt. Weiters gibt es Schulungen zum Thema Kommunikation: “Der Schlüssel zum Kunden ist das Betreuungs-gespräch. Nur so bekommt man mehr Informationen vom Kunden und erfährt was er braucht”, sagt Team-Santé Chef Thomas Kunauer von der Wolfsburger Apotheke Activa.

Andere Möglichkeiten die Kunden verstärkt an sich zu binden sind Informations-veranstaltungen z.B. über die richtige Medikamenteneinnahme, denn allein die Frage “Was heisst vor, bzw. nach dem Essen” lässt individuellem Interpretationsspielraum Platz. Eine andere Möglichkeit Kunden an sich zu binden, ist die Lieferung der benötigten Medikamente direkt ins Haus – etwas mehr Aufwand, aber zufriedene und treue Kunden sind garantiert.

Auch das Magazin „DA – DIE APOTHEKE“ ist seit einiger Zeit als Kundenbindungstool der österreichischen Apotheker im Einsatz. Es bietet Kunden und Patienten aktuelle, laiengerecht und verkaufsfördernd aufbereitete Beiträge und Tipps rund um Pharmazie, Medizin, Gesundheit, Kosmetik, Pflege und Wellness und erscheint monatlich mit einer Auflage von knapp 100.000 Exemplaren.

Apotheken online?

Natürlich bedeutet die Möglichkeit rezeptfreie Medikamente aus dem Ausland zu zum Teil wesentlich günstigeren Kosten zu erwerben im Moment noch einen Wettbewerbsnachteil für österreichische Apotheker, die diese Möglichkeit erst 2015 nutzen dürfen. Andererseits bringt das WorldWideWeb aber auch Vorteile und ein gutes Instrumentarium zur Kunden-bindung.

Der Apothekerverband betreibt seit April 2014 die Seite www.apodirekt und rund 800 der 1.340 österreichischen Apotheken machen mit – Tendenz auch hier stark steigend. Die Internetseite soll Kunden einerseits über Medizinprodukte informieren, andererseits können sie sich einen Warenkorb an Kosmetika, rezeptfreien Pillen und Co. online zusammenstellen, den sie dann bei der Apotheke ihrer Wahl abholen. Die Reservierung gilt für sieben Tage, sobald die Waren da sind, gibt es ein SMS oder Mail. Weiters gibt es aktuelle Kampagnen, Aktionen, Gesundheitsnews und eben eine einfache Online-Bestellmöglichkeit vieler Apothekenprodukte.

Operation Vigorali

Die größte Konkurrenz ist allerdings die illegale Konkurrenz. So wurde erst heuer im September unter dem Decknamen “Operation Vigorali” internationale Ermittlungen gegen eine weltweit agierende kriminelle Organisation geführt. Es wurden 130.000 Euro Bargeld und rund eine Million gefälschte Tabletten sicher gestellt, die noch um insgesamt rund zehn Millionen Euro verkauft hätten werden sollen. Vertrieben wurden in erster Linie „Lifestyle-Produkte“, wie Potenz- und Diätmittel, allesamt gefälscht und in Südostasien hergestellt. Sie wurden auf eigens eingerichteten Internetseiten als Originalmittel oder Generika angeboten. Insgesamt sind 95 Prozent der von den österreichischen Behörden untersuchten Medikamente aus dem Internet Fälschungen. Wer also glaubt, auf vermeintlich sicheren Homepages Arzneimittel bestellen zu können, riskiert nicht nur Geld sondern mitunter auch sein Leben.

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Linktipps

– Was sind Generika?
– Arzneimittelfälschungen
– Medikamente aus dem Internet
– Steuererklärung: Den Fiskus an den Krankheitskosten beteiligen
– Gesundheitsnews: APOdirekt geht online
– Österreichischer Apothekerverlag
– Onlineplattform APO direkt
– Wie Arzneimittelpreise gebildet werden

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