Das Primärarztmodell – Bedeutung und Information

1 Stern2 Sterne3 Sterne4 Sterne5 Sterne (8 Bewertungen, Durchschnitt: 3,13 Sterne von 5)

 Das Primärarztmodell - Bedeutung und Information

Es ist das unbestrittene Ziel der Gesundheitspolitik die Patientenströme über den Hausarzt zu leiten und zu koordinieren – vor allem auch um Kosten zu sparen und ‘unnötige’ Facharztbesuche möglichst zu vermeiden. Das sogenannte Primärarzt- beziehungsweise Hausarztmodell wurde propagiert, um mehr Kontrolle in das System zu bringen und die Behandlungsqualität zu steigern. ‘Unnötige’ Facharztbesuche, doppelte Untersuchungen und im schlimmsten Fall eine kontraindizierende Medikationen sollen durch den ‘Gatekeeper’ Hausarzt möglichst vermieden werden.


Das Primärarztmodell unter dem Regime der österreichischen Sozialversicherung

Bei vielen Erkrankungen und auch speziellen Gesundheitsfragen kann der praktische Arzt oft optimal weiterhelfen und ein Facharztbesuch bringt keinen zusätzlichen Patientennnutzen. So gab es – noch zu Zeiten des österreichischen Krankenscheins – pro Quartal nur einen Schein für den Hausarzt und nur einen Schein für einen Facharzt (plus einem Zahnarztschein) um die ‘inflationäre’ Inanspruchnahme von Ärzten einzudämmen. Wer darüber hinaus einen zweiten Facharzt innerhalb der drei Monate aufsuchen wollte, musste sich vom praktischen (Haus)Arzt einen weiteren “Überweisungunsschein” holen.

Seit der Einführung der e-card sparen sich Patienten grundsätzlich die Überweisung zum Facharzt durch den praktischen Arzt. Die Vorlage der e-card reicht, um einen Praktiker oder Facharzt zu konsultieren. Für bestimmte ärztliche Leistungen, die der praktische Arzt nicht selbst durchführen kann (z.B. Röntgenbild, Laboruntersuchung, EEG), sind aber auch weiterhin “Zu- oder Einweisungsscheine” nötig. “Überweisungsscheine” werden hingegen üblicherweise dann ausgestellt, wenn dem Patienten selbst eben gar nicht bewusst war, welcher Facharzt der richtige Experte wäre.

Über-, Zu- und Einweisung in Österreich

  • Bei der Überweisung wird der Patient für die nähere Abklärung zu einem Facharzt überwiesen. Der Überweisungsschein wird gemeinsam mit der e-card (als Anspruchsnachweis) dem Facharzt vorgelegt, an den überwiesen wurde.
  • Bei der Zuweisung benötigt der behandelnde Arzt eine konkrete Untersuchung, die er nicht selbst durchführen kann. Der Arzt weist den Patienten mit einem konkreten Untersuchungsauftrag einem anderen Arzt zu. Den Befund bespricht dann jedoch wieder der praktische Arzt gemeinsam mit dem Patienten.
  • Bei der Einweisung wird der Patient für die weitere medizinische Behandlung stationär in ein Krankenhaus eingewiesen (z.B. für eine Operation).

Die gesetzliche Sozialversicherung in Österreich stellt für nahezu alle Berufsgruppen eine Pflichtversicherung dar – auch Angehörige sind mitversichert. Etwa 99 % der österreichischen Bevölkerung stehen dadurch unter dem Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung. Da kein Wahlrecht für den einzelnen Versicherungsnehmer besteht, eine gesetzliche oder private Krankenversicherung zu wählen, werden in Österreich private Krankenversicherungsverträge fast ausnahmslos als Ergänzung zur gesetzlichen Krankenversicherung abgeschlossen. Als Ergänzung der gesetzlichen Krankenversicherung – egal, ob bei Unfall oder Krankheit – bieten Versicherungsunternehmen in Österreich unterschiedliche Zusatzmodule an. Diese privaten Versicherungen übernehmen die Kosten bzw. Mehrkosten, die die staatlichen Versicherungsträger (bzw. auch betriebliche Vorsorgeversicherungen für Angestellte) nicht übernehmen bzw. abdecken. Dies umfasst z.B Vorsorge für die Inanspruchnahme von Ärzten, die in keinem Vertragsverhältnis zum zuständigen Versicherungsträger der gesetzlichen Sozialversicherung stehen oder die Abdeckung der Kosten eines erhöhten Komforts in der Sonderklasse des jeweiligen Krankenhauses oder in einem Privatspital.¹

Das Primärarztmodell in Deutschland

Um die Gesundheitsausgaben einzugrenzen und Beiträge auf einem stabilen Niveau zu halten, wird auch in Deutschland kontinuierlich nach Lösungen Ausschau gehalten. Dies gilt sowohl für die gesetzliche als auch für die private Krankenversicherung. Welche Auswirkungen das Primärarzt-Prinzip auf privat Versicherte in Deutschland hat wird breit diskutiert.

Der Ansatz der Versicherungsgesellschaften ist dabei durchaus sinnvoll. Schließlich sollen mit dem Primärärztemodell unnötige Behandlungen, die im Alltag häufig vorkommen und immense Summen verschlingen, vermieden werden. In der privaten Krankvenversicherung ergeben sich damit günstigere Tarifmodelle. Allerdings müssen Versicherte einige Faktoren beachten.

Das Modell bei privaten Krankenversicherungen

Solange der Hausarzt (Facharzt für Allgemeinmedizin) eine Behandlung durchführen kann, sollen Fachärzte erst hinzugezogen werden, wenn der Hausarzt dies für notwendig hält und eine Überweisung ausstellt. Nach diesem Grundprinzip sind Primär- und Hausarzttarife in der privaten Krankenversicherung aufgebaut. Derartige Tarife sind günstiger, weil die Versicherungen von einer geringeren Kostenbelastung ausgehen. Denn bei anderen Tarifmodellen ohne dieses Zuweisungsprinzip wenden sich viele Versicherte gleich an teure Fachärzte obwohl dies häufig aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist.

Während in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte gewohnt sind, dass sie zuerst zum Hausarzt gehen müssen und von diesem gegebenenfalls zu einem Facharzt überwiesen werden, gestaltet sich die Thematik in der privaten Krankenversicherung komplizierter. Dort kalkulieren und gestalten Versicherungsgesellschaften Tarife individuell. Modalitäten zur Erstattung sowie Sanktionen und Fristen unterscheiden sich teilweise markant von Versicherungsvertrag zu Versicherungsvertrag. Eine direkte Vergleichbarkeit besteht für Kunden daher leider nicht. Falls Sie sich für ein derartiges Modell entscheiden sollten, müssen Sie die Kriterien daher konkret berücksichtigen und sich umfangreich informieren. Fordern Sie am besten mehrere Angebote von unterschiedlichen Versicherern nach den gleichen Vorgaben an, um sich die Entscheidung zu erleichtern.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Spezialtarifen bei privaten Krankenversicherungen:

1. Hausarzttarif: Hierbei muss ein Arzt bzw. der betreuende Hausarzt namentlich genannt werden. Wird der Arzt gewechselt, ist dies dem Versicherer mitzuteilen.
2. Primärarzttarif: Hier können Versicherte zu jedem „Nicht-Facharzt“ gehen. Allerdings kann es tarifliche Einschränkungen geben. Diese müssen dann in den Versicherungspapieren aufgeführt sein.

Achtung: Bei einem Wechsel in einen Primäraztarif kann ein Arztwechsel notwendig werden. Beispielsweise ist dies der Fall, wenn Sie zuvor bei einem „Hausarzt“ behandelt wurden, der Internist ist. Dieser wird von den Versicherungsgesellschaften fast ausnahmslos nicht als Facharzt für Allgemeinmedizin akzeptiert. Falls Sie sich nicht an einen Hausarzt (Arzt für Allgemeinmedizin) binden möchten, sollten Sie einen weniger strengen, teureren Tarif in Betracht ziehen um die Wahl zwischen verschiedenen Hausärzten zu haben. Bei derartigen Tarifen könnten Sie bei jeder Behandlung zu einem anderen Hausarzt gehen, vorausgesetzt es handelt sich um keinen Facharzt.

Die Sanktionen

Unter Sanktionen wird in diesem Zusammenhang in der Regel eine Kürzung des Erstattungsbetrags verstanden, die Versicherungen dann vornehmen, wenn sich Versicherte nicht an die Modellvorgaben des Tarifs halten und auch andere Ärzte konsultieren. Hierbei gibt es je nachdem aber Ausnahmen – beispielsweise bei Notfällen oder Kinderärzten. Der genaue Betrag der Kürzung hängt direkt vom individuellen Vertrag ab – zwischen 20 und 40 Prozent sind jedoch gängig.

Wie lange derartige Sanktionen verhängt werden, ist ebenfalls nicht einheitlich. Während einige Versicherungen diese Sanktionen auf den entsprechenden Fall begrenzen, weiten andere Versicherer die „Strafe“ auf mehrere Monate und auch andere Arztbesuche aus. Sogar die Art der Kürzung der Erstattungsbeträge ist individuell. Mancherorts sind lediglich die Arztkosten betroffen. Bei einer anderen Versicherung werden dagegen sogar die Erstattungen für Transportkosten oder für Medikamente gekürzt. Bei chronischen Erkrankungen bzw. dauerhaften Behandlungen können die Leistungskürzungen dann schon erhebliche Unkosten bedeuten.

Fazit

Strenge, günstigere Tarife müssen nicht schlechter sein, aber eine gewisse Vorsicht ist geboten und auch das Kleingedruckte sollte gelesen werden. Informieren Sie sich vor Unterschreiben des Versicherungsvertrags genau und bedenken Sie, was speziell für Sie wichtig ist. Klären Sie beispielsweise auch ab was geschieht, wenn Ihr Hausarzt einmal nicht verfügbar ist, wie bei Urlaub oder Krankheit. Obwohl Tarife nach Primär- beziehungsweise Hausarztmodell günstiger sind als vergleichbare Konkurrenzangebote, kann es sich in bestimmten Fällen lohnen zu dem teureren Modell zu greifen. Allerdings: „Ein Wechsel aus einem solchen Haus- oder Primärarzttarif in einen „normalen“ Tarif hat eine neue Risikoprüfung zur Folge und kann auch abgelehnt werden. Zu erklären ist dieses mit der Leistungsverbesserung die durch den Wechsel entsteht.“²

[abo]

——————-

Quellen:

¹ Gesundheit.gv.at: Wie funktionieren ärztliche Überweisungen
² Online-pkv.de

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

--------------------------

Linktipps

– Gesundheitsversicherungen
– Gesundheitsversorgung – Allgemeinmediziner als Manager
– Ärztliche Leistungen in Österreich
– Krankenversicherung in Österreich

Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Informationslage inzwischen geändert.
Unsere Artikel werden laufend durch unsere Redaktion aktualisiert.