Das große Geschäft mit Patientendaten

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Das große Geschäft mit Patientendaten

Als bekannt wurde, dass nicht nur hunderte Ärzte sondern auch Spitäler und Apotheken im großen Stil Patientendaten an eine Marktforschungsfirma weitergegeben haben, war der Aufschrei von Patientenanwälten und Datenschützern groß. Die Beschuldigten wiederum beklagen den mißbräuchlichen Einsatz der Begriffe “Patientendaten” und “Verbrauchsdaten” in der medialen Darstellung.


In der Zwischenzeit verlautbart die Korruptionsstaatsanwaltschaft von Amtswegen zu prüfen, ob es sich bei der Weitergabe um “pflichtwidrige Amtsgeschäfte” handelte. Doch längst ist nicht klar, ob es aufgrund der geltenden Gesetzeslage überhaupt Konsequenzen geben wird.

Wovor Datenschützer schon seit langem warnen, ist nun eingetreten: wo Daten in großem Stil gesammelt werden, werden diese früher oder später auch an Stellen weitergegeben, die ursprünglich nicht als Adressaten vorgesehen waren.

In der nun bekannt gewordenen Daten-Causa dürften hunderte Ärzte Apotheken und Spitäler im großen Stil Datenhandel betrieben haben. Konkret wurden Verbrauchsdaten von Medikamenten über die Firma CompuGroup – einer der größten Anbieter für Ordinationssoftware – an das US-Marktforschungsunternehmen IMS Health weitergegeben.

Eine Sprecherin der österreichischen Niederlassung von “IMS Health” bestätigte mittlerweile, dass Ärzte und andere Gesundheitseinrichtungen Daten von Verschreibungen an das Unternehmen verkaufen. Dabei wurde teilnehmenden Ärzten offenbar eine Entlohnung in Höhe von jährlich 423.- EUR versprochen. Spitäler wiederum sollen mit jährlich 1.700.- Euro pro Spital entlohnt worden sein und zudem mit Informationen zum Medikamentenverbrauch anderer Spitäler versorgt worden sein.

Verwirrung um Handel mit Patientendaten

Unklar bleiben in der ganzen Angelegenheit allerdings zwei ganz entscheidende Details. Erstens, ob es sich um personenbezogene Daten handelte oder “nur” um sogenannte Medikamentendaten, zweitens ob die Weitergabe im Wissen und Einvernehmen mit den Patienten erfolgt ist.

Zu ersterem versichert IMS Österreich, dass die Daten durch ein Dritt-Unternehmen verschlüsselt und anonymisiert wurden wodurch Rückschlüsse auf die einzelnen Patienten “absolut nicht” möglich wären. Gleichzeitig gestand eine Unternehmenssprecherin aber ein, dass die Daten nach Altersgruppen und Geschlecht differenziert wurden.

Der zweite Punkt lässt sich mittlerweile zweifelsfrei verneinen, bisher ist kein Fall bekannt in dem sich ein betroffener Arzt, bzw. ein Spital oder eine Apotheke eine Einverständniserklärung von Patienten eingeholt hätte. Die Vinzenz Gruppe Krankenhausbeteiligungs- und Management GmbH Wien beispielsweise sieht gerade dazu auch überhaupt keinen Grund. Ihre sieben Krankenhäuser hätten nämlich keine
Patientendaten weitergegeben – auch nicht anonymisiert.

IMS erhalte ausschließlich quartalsweise Informationen über den gesamten Arzneimittelverbrauch der Krankenhäuser ohne jeglichen Patientenbezug. Es könnten daher keinesfalls Rückschlüsse auf Patienten oder Patientengruppen gezogen werden. Diese statistischen Verbrauchsdaten könnten zudem von IMS vereinbarungsgemäß nur so weiter gegeben werden, dass daraus keine Rückschlüsse auf das Krankenhaus und auf seine Verbrauchsgewohnheiten gezogen werden können.

Die Vinzenzgruppe verweist auf die Vorteile der Kooperation durch die jedes teilnehmende Krankenhaus die Möglichkeit erhält, den Arzneimitteleinsatz und -verbrauch im eigenen Spital analysieren zu können.

Dieses Instrument diene dem Vergleich des eigenen Verbrauchs bestimmter Arzneimittel auf Krankenhausebene mit dem durchschnittlichen Verbrauch von Vergleichsgruppen. So erhalten Spitäler wichtige Aufschlüsse für das medizinische Qualitätsmanagement, was direkt der Qualitätssicherung der Patientinnen und Patienten zu Gute komme.

Ärztekammer warnte Mitglieder, sprach aber kein Verbot aus.

Bereits im April 2012 wurde von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) ein Schreiben an niedergelassene Ärzte verschickt, in dem explizit davor gewarnt wurde Patientendaten an das Marktforschungsinstitut IMS Health weiterzugeben. Die ÖAK möchte sich daher auch nicht den schwarzen Peter in der Affäre zuschieben lassen und verweist ihrerseits auf eine Auskunft der Datenschutzkommission an die Tiroler Ärztekammer, in der der Verkauf der Daten als zulässig bezeichnet wurde, sofern garantiert wäre, dass die Daten anonymisiert werden.

Diese Auskunft ist insofern interessant als sie den im § 54 des Ärztegesetzes (dieser regelt die ärztliche Verschwiegenhgeitspflicht) angeführten Bestimmungen zur möglichen Weitergabe widerspricht. Die Weitergabe an Privatunternehmen ist dort jedenfalls nicht vorgesehen. Doch Vertreter der Marktforschung verweisen auf die Notwendigkeit der Informationsweitergabe. Wie sonst sollten Pharmafirmen wissen, in welchen Gebieten unter welchen Umständen bestimmte Medikamente verschrieben werden.

Dreh- und Angelpunkt in der Angelegenheit bleibt daher die Frage, ob die Daten tatsächlich, wie von IMS behauptet, vollkommen anonymisiert wurden und daher nicht auf einzelne Patienten rückführbar sind. Datenschützer bezweifeln eben dies, die Ärztekammer tappt diesbezüglich noch im Dunkeln und wartet die Antworten der kontaktierten Ärzte ab, Patienten bleiben verunsichert.

Fotohinweis: sofern nicht extra anders angegeben, Fotocredit by Fotolia.com (bzw. Adobe Stock)

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Stand: 07/2013

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