Internetsucht und Cyber-Krankheiten – eine neue Herausforderung

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Internetsüchtig

Neue Krankheiten erfordern neue Therapien. Für die meisten Psychologen und Psychotherapeuten ist die Internet-Sucht aber noch immer absolutes Neuland. Es gibt weder formale Diagnose-Kriterien, anhand derer Internet-Sucht objektiv festgestellt werden kann, noch spezielle Therapien. Forscher behelfen sich derzeit mit modifizierten Diagnose-Kriterien für Spielsucht, und Therapeuten, die zunehmend mit Internet-süchtigen Patienten konfrontiert werden, greifen auf allgemeine Therapieansätze für Suchtkrankheiten zurück.


Dr. Kimberly Young vom “Center for On-Line Addiction” in Pittsburgh, USA hat in einer jetzt veröffentlichten Studie Erfahrungsberichte von Therapeuten erfaßt und ausgewertet. 35 Therapeuten mit im Durchschnitt 9 Patienten mit Internet-Sucht pro Jahr haben an dieser Studie teilgenommen.

Eine der wesentlichsten Erkenntnisse war, dass Internet-Sucht ein ziemlich breites Spektrum von Symptomen und Verhaltensstilen umfaßt: Vom zwanghaften Nutzen der Cyber-Sex-Seiten über übermäßiges Engagement in Online-Beziehungen statt in Real-Leben-Beziehungen bis zur übermäßiger Informationssuche im Web oder exzessivem Spielen von Computer-Games. Als Sucht-Kriterien definierten die Therapeuten: Extreme Internet-Nutzung gepaart mit signifikanten sozialen, psychologischen oder/und beruflichen Unzulänglichkeiten.

Betroffende sind vom Internet wie “besessen”, geraten in Angstzustände, wenn sie “off-line” sind und lügen über bzw. verstecken das wahre Ausmaß ihrer Internet-Nutzung. Die Konsequenzen der Sucht sind für die Betroffenen oft verheerend: soziale Isolation, zunehmende Depression, Scheidung, Scheitern in Ausbildung oder Beruf, Jobverlust, finanzielle Schwierigkeiten usw. Einige Therapeuten berichteten von Patienten mit Drogen- und Alkoholmißbrauch als Folge der ursprünglichen Internet-Sucht.

Die Anonymität, die das Netz seinen Benutzern bietet, wird als ausschlaggebender Faktor für die Ausbildung des Suchtverhaltens gewertet:

  • Demnach fördert die Anonymität den Konsum von Cyber-Sex, Kinderpornographie und Suche nach Befriedigung von anderem abweichendem Sexualverhalten. Häufig begann das später zwanghafte Verhalten mit “harmloser Neugierde”, “einmal in diese Seiten hineinschauen, was es dort so gibt”.
  • Die Anonymität hilft sozial ängstlichen bzw. extrem schüchternen Menschen bei der Kontaktaufnahme mit anderen. Sofern sie diese Kontakte als “Übung” für Kontakte im realen Leben nutzen können, bietet das Internet ihnen eine positive Chance. Gefährlich wird es, wenn virtuelle Kontakte reale ersetzen und ohnehin sozial eher scheue Menschen sich noch weiter zurückziehen.
  • Die Anonymität unterstützt “Cyberaffären”, was bei Menschen, die in Beziehungen leben zu ernsthaften Krisen mit dem Partner/ der Partner führen kann.
  • Die Anonymität fördert die Entwicklung einer “Online-Identität”, eines Wunsch-Phantasie-Ichs, und unterstützt damit die Flucht aus der Realität. Dieses Verhalten wurde von den Therapeuten bei Patienten mit Depressionen bzw. psychotischen Erkrankungen festgestellt.

60 % der an der Studie teilnehmenden Therapeuten hatten Klienten betreut, die vor der Internet-Sucht schon an einer anderen Sucht gelitten haben, z.B. ehemalige Alkoholabhängige. In Bezug auf die Behandlung hat die Studie gezeigt, dass eine Internet-Suchttherapie nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auf die spezielle Form der Internet-Nutzung zugeschnitten ist. In Frage kommen u.a. Sexualtherapien, Paartherapien, Familientherapien oder Therapien, die sich auf die Verbesserung der sozialen Fertigkeiten konzentrieren.

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Linktipps

– Risiko Sucht
– Social Media wirken wie Suchtmittel
– Internetsucht – Die neue Abhängigkeit – Doku
– Cyber-Mobbing – Diffamierung & Belästigung via Internet
– Smartphones: Internet, Handy & Co – Elternguide für Kinder und Teens

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